Wie heißen die drei kleinen Bärchen?
Erwischt. Das ist die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird. Das wollen die Kinder natürlich wissen. Und das ist auch gut so. Sie haben Recht. Sie kennen die Farben: ein Bärchen ist grün, eins ist gelb, eins pink. Aber wie heißen die Bärchen? Hm!
Das weiß ich auch nicht. An der Stelle haben wir einen Fehler gemacht und gedacht, es reicht, wenn die Bärchen Farben haben. Aber nicht nur ein Kind, auch ein Bär will einen Namen haben.
Das grüne Bärchen war übrigens schon mal verschwunden. Ein Kind hatte das Bärchen so gerne, dass es es einfach nicht mit ansehen konnte, wie die anderen Kinder auch alle zu den Bärchen drängelten. Da hat das Kind schnell das grüne Bärchen versteckt. Zur Sicherheit. Damit es wenigstens ein Bärchen für sich alleine haben konnte. Wenigstens ein Weilchen. Es hat das grüne Bärchen dann aber wieder frei gegeben. Alle drei Bärchen sind wieder wohlauf. Auch ohne Namen.
Wie viele Geschichten gibt es?
Immerhin. Das weiß ich: 104. 104 kann man gut durch 52 teilen. Das ergibt 2.
52 Wochenenden hat ein Jahr. Wenn an jedem Wochenende eine Blaubär-Geschichte im Fernsehen kommt, dann reichen 104 Geschichten für 2 Jahre. Nach 2 Jahren werden die Geschichten wiederholt. Denn in Deutschland gibt es alle zwei Jahre neue Kinder. Die kennen die alten Geschichten noch nicht.
In Wirklichkeit gibt es sogar noch mehr als 104 Geschichten. Aber wie viele genau – das weiß ich auch nicht. Ich war nur am Anfang dabei. Nachher sind noch viele Geschichten dazugekommen, die ich selber nicht alle kenne.
Hast du die alle ganz alleine ausgedacht?
Keinesfalls. Das kann auch einer alleine gar nicht schaffen. Wir heißt es auf dem Land? So blöd kann einer alleine gar nicht sein. So viel Seemannsgarn kann einer alleine nicht spinnen. Das kann nicht einmal ein weit gereister Seebär, der schon alle sieben Weltmeere befahren hat.
Die 104 Geschichten haben wir zu dritt geschrieben. Dabei haben uns noch Leute geholfen, die haben uns Lügen erzählt und uns Ideen zugeflüstert. Wir drei – das waren: Walter Moers, Rolf Silber und ich. Jeder von uns hat etwa ein Drittel von den 104 Geschichten geschrieben.
Rolf Silber ist übrigens über zwei Ecken mit dem Piraten John Long Silver verwandt. „Silver“ ist englisch und heißt bekanntlich „Silber“.
Wer hat den Blaubär eigentlich erfunden?
Walter Moers, der war’s. Der hat zuerst Gutenacht-Geschichten für die Sendung ‚Sandmännchen’ geschrieben. Da liegen die drei Bärchen schon im Bett – man sieht nur ihre Köpfe – und wollen noch eine „knallgute Gutenachtgeschichte“ hören, anderenfalls drohen sie mit Rabatz. So hat alles angefangen. Damals ging es noch ohne Hein Blöd.
Dann wollte die ‚Sendung mit der Maus’ 104 Geschichten in der Art. Da hat dann Walter Moers noch zwei Kumpel mit an Bord geholt. Dann ging es los. Also: Walter Moers war’s. Genau. Das ist auch der, der sich das ‚kleine Arschloch’ ausgedacht und der den Kinofilm von Käpt’n Blaubär gemacht und das Buch von den dreizehneinhalb Leben des Käpt’n Blaubär geschrieben hat.
Wie viele Leute machen bei dem Seemannsgarn mit?
Viele. Ungefähr 30 Leute müssen mitwirken, damit es nachher eine Geschichte für die ‚Sendung mit der Maus’ gibt: die Puppenspieler, die Sprecher, die Zeichner … Etwa 10 Zeichner hatten schon mal angefangen, allerlei Schiffe und Inseln, die immer gut zu irgendeiner Geschichte von Käpt’n Blaubär passen, zu zeichnen, ehe wir Autoren die Geschichten fertig ausgedacht hatten. Und dann noch die Musik. Da kommt einiges zusammen.
Bei alten Filmen, zum Beispiel von Charlie Chaplin, gab es noch keinen langen Abspann, in dem steht, wer alles mitgemischt hat. Charlie Chaplin hat fast alles selber gemacht. Er hat selber den Text geschrieben, hat selber die Hauptrolle gespielt und hat selber die Musik komponiert. Er hat sozusagen vor und hinter der Kamera gleichzeitig gestanden. Heute kann das keiner mehr.
Aber viele stellen sich das immer noch so vor. Die denken, wenn einer irgendwas bei einer Fernsehfolge von Käpt’n Blaubär gemacht hat, dann hat er auch gleich ALLES gemacht. Ich war es jedenfalls nicht. Ich kann auch nicht so gut zeichnen. Ich habe es aber mal probiert. Ich kann viele Sachen nicht. Ich kann eigentlich nur gut lügen.
Wie alt ist Käpt’n Blaubär?
Hm? Schwere Frage. Bei Piraten, Asiaten und bei manchen Frauen kann man das nicht so genau sagen. So sagt man jedenfalls in Seefahrerkreisen. Die sind irgendwie zeitlos. Die ersten Folgen von Käpt’n Blaubär gab es schon 1991 oder sogar schon 1990. Ich erinnere mich noch dunkel, dass es damals eine Geschichte gab, in der Käpt’n Blaubär seinen sechzigsten Geburtstag feiert und dabei Oldies singt, zum Beispiel Lieder von den Beatles. Dann ist er also gar nicht sooo alt. Und die Oldies sind immer noch schön.
Warum ist der Bär blau?
Normalerweise sind Bären nicht blau. Das wissen wir auch. Manche denken, dass er „Blaubär“ heißt, weil er so aussieht, wie er heißt (er ist ein Bär und er ist blau) und heißt „Blaubär“, weil er irgendwann einmal zu viele Blaubeeren gegessen hat. Aber das stimmt nicht. Davon wird man nicht blau. Ich weiß es genau. Ich esse nämlich selber immer so viele Blaubeeren, wie ich kriegen kann. So viel wie möglich. Davon wird man nicht blau. Es gibt einen ganz anderen Grund.
Ursprünglich sollte es „Käpt’n Braunbär“ heißen. Aber heutzutage ist es sehr teuer, eine Fernsehserie zu machen, so dass man solche Filme nur machen kann, wenn man sie in möglichst viele Länder verkauft. Man muss sie sogar schon verkaufen, ehe man sie überhaupt hergestellt hat. Deshalb spricht man vorher mit allen möglichen Interessenten. Die Japaner waren sehr interessiert und haben versichert, dass sie Filme, wenn sie fertig sind, kaufen wollen. Damit war die Finanzierung gesichert.
Wir waren dann ziemlich verwirrt, als die Japaner ständig anriefen und immer wiederholten: „Wollen kaufen: Käpt’n Blaubäll“. Da haben wir gedacht, dass sie die Filme vielleicht nur kaufen wollen, wenn der Bär blau ist. Na gut. Dann eben so. So ist der Bär blau geworden.
Die Japaner sind übrigens später wieder abgesprungen und haben Käpt’n Blaubär nicht in Japan im Fernsehen gezeigt. Schade. Aber es ging auch so.
Wer spricht den Bären?
Die Stimme kommt einem irgendwie bekannt vor. Richtig. Es ist die Stimme von Wolfgang Völz. Der hat auch gesagt „Nichts ist unmöglich“ und „Käpt’n Iglu“. Der kann das. Das hat man immer noch im Ohr. Er ist ein berühmter Sprecher, der schon in Fernseh-Seiren wie ‚Graf Yoster gibt sich die Ehre‘ und in ‚Raumpatrouille‘ mitgemacht hat. Außerdem in vielen Filmen wie ‚Pippi im Taka-Tuka-Land‘, ‚Urmel aus dem Eis‘, ‚Pumuckl und der blaue Klabauter‘ und in ‚Emil und die Detektive‘.
Wer spricht Hein Blöd?
Das ist ein Schauspieler, der Edgar Hoppe heißt. Der macht das gut. Aber es ist auch nicht so schwer. In Hamburg können viele so sprechen. Man muss einfach die Vokale verlängern (die Vokaaale verlääängern). Im Einwohnermeldeamt Eimsbüttel wurde das noch in den siebziger Jahren überprüft, wenn einer unbedingt ein richtiger Hamburger sein wollte. Inzwischen lassen sie das.
Manchmal werde ich bei Lesungen in Bayern, Franken oder im Schwabenland angesprochen und die Kinder fragen mich dann, ob ich nicht noch ein bisschen mehr in dieser „Witzsprache“ reden könnte. Ich weiß gar nicht, was die meinen.
Wer spricht die kleinen Bärchen?
Das machen Kinder, die ungefähr zehn Jahre alt sind. Ein Mädchen (das pinkfarbene Bärchen ist ein Mädchen) und zwei Jungen. Einer von den Jungs musste wieder ausgetauscht werden, weil er in den Stimmbruch kam. Das war dann schon ein Problem. Aber es gibt noch ein Problem: Heutzutage haben Kinder, die ungefähr zehn Jahre alt sind, keine Zeit mehr und schaffen es kaum noch, sich auf einen gemeinsamen Termin zu einigen. Die Kinder heutzutage haben einen Terminkalender wie Stars. Sie haben es aber trotzdem geschafft.
Ist Hein Blöd wirklich so blöd?
Tja. Das ist die Frage. Hein Blöd ist sehr beliebt. Er ist viel beliebter als der Käpt’n. Die Kinder mögen ihn viel lieber. Es gibt Hein Blöd auch als Wärmflasche. Es ist die beliebteste Wärmflasche Deutschlands, sie ist noch beliebter als die Tiger-Enten-Wärmflasche.
Hein Blöd ist außerdem sehr hilfsbereit. Und er hat immer gute Laune, auch wenn sich alle über ihn lustig machen. Nun mal ganz im Ernst: Wenn nun einer so beliebt ist wie Hein Blöd und wenn er stets so gut gelaunt ist, dann kann er eigentlich nicht wirklich blöd sein – oder? Irgendwas macht Hein Blöd richtig.
Hein Blöd ist Happy Jack. Vielleicht kennt zufällig einer das steinalte Lied von den Who? Da heißt es: „They droped things on his head and lied, lied, lied. But they couldn’t stop Jack from being happy.“ So ist es auch bei Hein Blöd. Genauso. Bei all den Lügen bleibt er immer wohlauf.
Welche Farbe haben die Eltern?
Eine knifflige Frage. Der Opa (Käpt’n Blaubär heißt auch „Opa“ Blaubär) ist blau – wie man sieht. Die Oma, von der man allerdings nichts weiß, ist vermutlich auch blau. Oder sie war mal blau und ist dann später ergraut.
Die Enkelkinder (die drei kleinen Bärchen sind ja die Enkelkinder) haben bekanntlich Farben wie Gummibärchen oder wie Filzstifte: gelb, grün und pink. Da stellt sich schon die Frage: welche Farben haben die Eltern?
Durchsichtig? Oder sind sie bunt wie ein Regenbogen? Was können das für Farben sein? Was können das überhaupt für Eltern sein? Gibt es sie überhaupt? Hat man jemals von ihnen gehört?
Nein. Eben nicht. Die Eltern werden auch nicht erwähnt. Es gibt sie nicht – es kann sie gar nicht geben. Sie werden auch nicht vermisst. Das ist ein Erfolgsgeheimnis der Serie: Es ist eine Familie ohne Papa und Mama.
Nicht dass die Kinder was gegen ihren Vater oder gegen ihr Mutter hätten, aber wenn sie nicht da sind, dann ist das auch mal ganz schön. Es gibt sie ja doch. Sowieso. Immer. Jedes Kind hat einen Vater und eine Mutter.
Aber wenn auf einem geheimen Ort wie dem alten Schiff von Käpt’n Blaubär, das auf einer abgelegenen Klippe liegt, nur der Opa da ist und Hein Blöd, die Eltern von den drei kleinen Bärchen aber nicht, dann dürfen die Bärchen viel frecher sein. Das sind sie auch. Sie sind auch schlauer. Viel schlauer als Hein Blöd sowieso. Aber manchmal sind sie sogar schlauer als ihr Opa. Nicht nur manchmal. Fast immer.
Ist Käpt’n Blaubär ein Lügner?
Man soll nicht lügen. Das wissen die Kinder auch. Aber der Käpt’n ist eigentlich auch kein Lügner. Er ist kein Betrüger. Er ist kein Politiker. Kein Gebrauchtwagenhändler. Er will die Bärchen nicht reinlegen. Im Gegenteil: Er meint es gut mit den drei kleinen Bärchen.
Er möchte ihnen die Langeweile vertreiben, möchte sie ein bisschen unterhalten und ihnen erzählen, wie es in der Welt zugeht. Aber stimmt das denn? Ist es denn so in der großen, weiten Welt, wie der Käpt’n sagt? Machen seine Geschichten nicht einen ganz falschen Eindruck?
Nein. Die Welt ist wirklich so, wie der Käpt’n sagt. Sie ist voller Wunder. Das wissen die Kinder auch. Die Erwachsenen haben das oft vergessen. Sie wundern sich nicht mehr, sie sehen den Paradiesstaub nicht, der über den Dingen liegt. Sie merken nicht, wie verzaubert in Wirklichkeit alles ist.
Der Käpt’n Blaubär erinnert uns daran. Seine Geschichte wollen uns immer wieder sagen, dass die Welt unerklärlich und wunderbar ist.
Und das ist wahr.