100 Jahre Käpt’n Blaubär

 

 

In diesem Jahr hatten wir ein besonderes Jubiläum. Vor 30 Jahren starteten die „Seemannsgarn“-Geschichten mit Käpt’n Blaubär in der ‚Sendung mit der Maus‘. Ich selber bin in diesem Jahr 70 geworden. 30 und 70 sind zusammen 100.

 

 

Mit Büchern wie zu Hause

 

Die Feier zu meinem siebzigsten Geburtstag ist ausgefallen, auch die Jubiläums-Tournee, die ich mit dem Käpt’n, mit Hein Blöd und den drei kleinen Bärchen unternehmen wollte. Schade. Mit der Mannschaft hatte ich in den letzten Jahren unzählige Schulen und Bibliotheken besucht und mich dabei manchmal wie zu Hause gefühlt.

 

Dabei muss man wissen, dass ich kurz nach dem Krieg in eine Zwergschule gehen musste – es ging nicht anders –, mein Vater war zugleich mein Lehrer, das Schulhaus war zugleich unser Wohnhaus und der Klassenraum war zugleich die einzige Bibliothek weit und breit. So kam schon früh alles zusammen.

 

 

Drehbücher drehen bis man schwindelig wird

 

Ich hatte schnell den Dreh raus, wie man Lügengeschichten schreibt und habe gleich eine Menge Drehbücher für das Fernsehen geschrieben. Das hat mir sogar richtig Spaß gemacht, aus Herzenslust zu lügen und mich so dumm anzustellen, wie es nur Hein Blöd darf und es die Polizei ansonsten nicht erlaubt.

 

Die Drehbücher, die ich für die ‚Sendung mit der Maus‘ geschrieben habe, habe ich dann aber doch lieber so lange zurückgedreht, bis am Ende wieder richtige Bücher daraus geworden sind. Bücher mag ich nämlich lieber als Fernsehgeräte. Deshalb wollte ich auch unbedingt mit den Büchern auf Lesereise gehen.

 

 

Was ist das Beste, das es gibt?

 

Bücher habe ich immer im Gepäck. Ich habe auch in der Wohnung einige Bücher rumliegen und ich habe einen Mantel mit extra großen Taschen, in die gleich mehrere Taschenbücher passen. Ich lese gerne. Ich habe den Kindern erzählt, dass Lesen sowieso das Beste ist, was es gibt. Weil es etwas ist, das immer besser wird, je mehr man davon macht.

 

Das ist nicht bei allen Tätigkeiten so. Manche hängen einem nach gewisser Zeit zum Hals heraus. Lesen nicht. Ich habe gelegentlich ein bisschen übertrieben und behauptet, dass ich alles ausprobiert hätte, ich wäre schon Großwildjäger gewesen, Feinschmecker, Weltenbummler, Liebhaber, Millionär, Musikvirtuose, Extremsportler, Pirat und Zauberkünstler – und ich hätte rückblickend festgestellt, dass Lesen das Beste ist, was man machen kann.

 

Lesen ist etwas, von dem man nie genug kriegen kann, dass einem nie zum Hals heraushängt. Also: Ich habe ein bisschen Werbung gemacht für Bücher. Die Lehrer nannten das „Leseförderung“. Manche sprachen von „Lüge“.

 

 

Fernsehen und Käpt’n Blaubär – das passt gut zusammen

 

Aus der Lesereise wurde nichts. Es kam bekanntlich was dazwischen. Ich wollte keine Lesungen machen, bei der die Kinder Masken tragen müssen und ich nicht sehen kann, ob sie gerade lächeln oder doch eher eine Schnute ziehen. Eigentlich mache ich die Lesungen sowieso nur deswegen. Um mir das anzugucken. Das muss man einfach gesehen haben. Das fiel also aus.

 

Über Zoom wollte ich auch nichts vorlesen. Dann kann man auch gleich fernsehen. Die Lügengeschichten vom Käpt’n sind im Fernsehen eigentlich ganz gut aufgehoben. Da haben sie ihre ideale Form gefunden. Mir hat mal ein Kind erklärt, warum diese Geschichten im Fernsehen viel besser ankommen als in Büchern. Es ist nämlich so, hat mir das Kind erklärt, Lesen muss man erst mühsam lernen. Das ist nicht so einfach. Fernsehen dagegen sei eine „natürliche Fähigkeit“. Da habe ich lange drüber nachdenken müssen.

 

 

Mehr als 13einhalb Leben

 

Wie fing alles an? In einem Interview mit dem WDR habe ich von den Anfängen erzählt und Dennis Braun hat verraten, wie es in den folgenden 30 Jahren weitergegangen ist. Zuerst hatte es Gute-Nacht-Geschichten für das ‚Sandmännchen‘ von Walter Moers gegeben, der später auch das Buch von den 13einhalb Leben des Käpt’n Blaubär geschrieben hat. 13einhalb ist noch zu wenig. Es gab mehr.

 

Für die ‚Sendung mit der Maus‘ sollten 104 Folgen ‚Seemannsgarn‘ geschrieben werden (104 kann man gut durch 52 teilen, das ergibt dann 2. Alle 2 Jahren wurden die Episoden wiederholt, weil es bekanntlich alle 2 Jahre neue Kinder gibt …)

 

Also haben wir uns Geschichten ausgedacht: Walter Moers, Rolf Silber (nicht verwandt mit John Long Silver, was viele denken, weil „Silver“ bekanntlich Silber heißt …) und ich. Wolfgang Völz, dem ich auf der Achse einen kleinen Nachruf geschrieben habe, hat dem Bären seine wunderbare Stimme geliehen, er hat ihm den richtigen Brummton verpasst – und dann ging die Reise los, die Mannshaft ging auf große Fahrt.

 

 

Dann ging es rund

 

Die Reise ging durch die Schlafzimmer der Kinder, die nicht einschlafen wollen und durch die Einkaufsläden in den Fußgängerzonen, wenn da ein Kunde nicht so genau wusste, was er kaufen sollte. Nun war alles da. Der Blaubär trat in allen möglichen Verwandlungen auf: Es gab Spiele, Puppen, Fußmatten, Schlauchboote, Tapeten, Eistorten, Briefmarken und … und … und … und zum Beispiel Wärmflaschen mit Käpt’n Blaubär und mit Hein Blöd (die von Hein Blöd war zeitweise die beliebteste Wärmflasche Deutschlands).

 

Doch das Beste gab es immer umsonst. Kinder malten Bilder – einfach so. Und viele Väter und Mütter machten die Erfahrung, dass sie überraschend gut lügen konnten und dachten sich eigene Geschichten aus, mit denen sie die Kleinen in den Schlaf tricksen konnten. Das Blaubär-Geschichten-Erzählen wurde ein neuer Volkssport, bei dem man gar nicht besonders viel trainieren musste. Der Blaubär gehört inzwischen zum Kulturerbe. Hein Blöd noch mehr.

 

Ich habe es selber erlebt, dass mir Kinder eine Geschichte erzählt haben und ich irgendwann gemerkt habe, dass sie mir bekannt vorkommt und ich die mir vor langer Zeit ausgedacht hatte. So also ging es rund.

 

 

 

 

 

 

 

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